Interview mit Hansi Kiefersauer

aus „MIKE von Mali & Werner“ von Sebastian Otten

SO: Wie kam es zu der Mitarbeit an MIKE?

HK: Volker Reiche hatte bei sich zu einem Buchmesse-Treffen von diversen Kollegen eingeladen, dort habe ich Werner Büsch kennengelernt. Und der hat mich gefragt, ob ich Interesse an einer Mitarbeit hätte.

SO: Während andere Comic-Künstler in den 80er Jahren wie Chris Scheuer, Matthias Schultheiss und Ralf König von der Förderung durch die „großen“ Verlage profitierten, ist die Mitarbeit an einem „Werbeheft“ nicht sehr medienwirksam und wird auch in der Fan-Szene wenig beachtet – meiner Meinung nach zu Unrecht. Wie schätzt Du das ein?

HK: Werbecomics werden ja auch beachtet, sonst würden sie nicht produziert, und Fans haben die Heftchen ebenfalls, nämlich ihre in die Abertausende gehenden Leser. Allerdings richten sich Werbecomics in der Regel an Jüngere, und wie viele aus der Fan-Szene beachten „echte“ Comics wie Bussi Bär und Benjamin Blümchen?

SO: BIRNE war eine Figur, die von Mali und Werner bereits 1978 in die Serie eingeführt worden war. Wie gestaltet sich die „Übernahme“ einer fremdem Figur?

HK: Ich habe versucht so nah wie möglich an den Vorlagen von Mali und Werner zu bleiben. Mein Funny-Strich hat mir sicher dabei geholfen.

SO: „Comics für helle Köpfe“ – so lautete jahrelang die Überschrift bei BIRNE. War der Titel Deine Idee?

HK: Nein, ich nehme an, das war Werners Idee.

SO: Das Konzept war eher auf die jüngeren Leser ausgerichtet. Während bei Gierschlund Wolf auch anarchischer Humor an den Tag gelegt wurde, kommen bei BIRNE liebevoll beseelte Gegenstände vor. Egal ob Staubsauger, Lampe oder Buch – alles kann sprechen und hat ein Gesicht.
Wie kam es zu dieser Ausrichtung der Serie?

HK: Die Frage musst Du Mali und Werner stellen. Ich habe die Serie ja nur übernommen, außerdem nur gezeichnet und von wenigen Ausnahmen abgesehen nicht getextet.

SO: Bei Crumb finden sich schon „beseelte Gegenstände“, wie beispielsweise eine Jukebox mit Gesicht. Ist die Ähnlichkeit Zufall oder Absicht?

HK: Siehe oben. Aber mit Crumb dürfte das nichts zu tun haben; animierte Gegenstände in Comics gab und gibt es ja öfter, auch in allen möglichen Trickfilmen.

SO: Du selbst hast mir gesagt, dass es bei den BIRNE-Geschichten eher ein Szenario gab. Wie kann man sich das praktisch vorstellen? Hast Du lediglich ein Konzept für die Story bekommen, oder gab es ausgefeilte Szenario-Vorgaben?

HK: Ich habe gescribbelte Seiten bekommen, d.h. die Seitenaufteilung stand fest und die einzelnen Panels waren grob vorskizziert. Ich musste mich nicht sklavisch daran halten, habe die Comics aber weitgehend nach den Vorgaben ausgeführt.

SO: Für die BIRNE-Comics standen meist nur drei Seiten zur Verfügung. Wie schwer ist es mit lediglich drei Seiten auskommen zu müssen?

HK: Vor der Aufgabe, einen Dreiseiter zu entwickeln stand hier ja der Szenarist, nicht der Zeichner. Aber ich denke, ein Dreiseiter ist nicht schwieriger als ein One- oder Zehn-Pager. Vielleicht wie ein Zehnseiter mit dem alten Telefonhäuschenaufkleber „Fasse Dich kurz!“

(Scribble von Ralph Ruthe)

SO: Mit „Birne auf Kaperfahrt“ konntest Du auch eine längere Geschichte erzählen. Kannst Du erzählen, wie es dazu kam?

HK: In „Frigobert und Kolakowski“ (Rad ab! Verlag, 1985) hatte ich eine Story mit animierten Backwaren. „Max, die Semmel, auf Fahrt mit Käpt’n Störtebäcker“. Ich habe Mali und Werner den Vorschlag gemacht, die Geschichte nochmal als BIRNE-Comic zu zeichnen und sie waren einverstanden.

(Getuschte Seite)

SO: Kannst Du etwas über die Arbeitsabläufe aus der damaligen Zeit verraten?

HK: Die BIRNE-Szenarios sind zu Anfang von Werner Büsch, einige auch von Tschap (= Gabriel Nemeth) geschrieben und gescribbelt worden, später hauptsächlich von Ralph Ruthe (damals 16 Jahre alt!), nachdem man von ihm schon mal einige Ideen umgesetzt hatte.
Ich habe die Seiten gezeichnet und getuscht. Koloriert und gelettert wurden die Seiten dann wieder in der „Comicwerkstatt“ von Mali und Werner.

SO: MIKE richtet sich an Kinder. Trotzdem hast Du zur gleichen Zeit auch „Erwachsenen-Comics“ produziert, erst mit „ZOMIX“, dann auch für U-Comix. War dies ein schwieriger Spagat?

HK: Nö, war kein Spagat. Meine Comics sind ja (fast) alle durchweg familientauglich.

SO: Das MIKE-Heft besteht von 1978 bis zur Einstellung 2007 ausschließlich aus Eigenproduktionen, also Figuren, die von Mali und Werner eingeführt worden waren. Es gab in fast 30 Jahren nur eine einzige Ausnahme, nämlich „BUBI“, der auch in U-Comix veröffentlicht wurde. Das finde ich aus der Rückschau bemerkenswert.

HK: M+W haben die Bubis aus der WAZ wohl gefallen und sie haben mir den Abdruck in MIKE angeboten.

SO: Über lange Jahre hinweg hast Du auch „BIRNEs Zeichenkurs“ gestaltet. Etwa Zeitgleich wurde auch in U-Comix ein Zeichenkurs von Dir veröffentlicht. Wie haben sich die beiden Serien beeinflusst?

HK: Die Zeichenkurse sind sehr unterschiedlich und haben sich nicht gegenseitig beeinflusst. Der BIRNE-Kurs bestand aus einfachen, rudimentären Anleitungen und Zeichenvorlagen; „Hugos Comiczeichenkurs“ hingegen ist ja ein richtiger Comic und eher die Persiflage eines Zeichenkurses, allerdings gespickt mit Tipps zum Zeichnen.

SO: Wie ging es nach Deiner Trennung von Mali und Werner weiter?

HK: Ich stehe noch in sporadischem Kontakt mit Mali und Werner, hatte aber damals durch meine Arbeit an „Käpt’n Blaubär“ mit einer Unmenge an Illustrationsaufträgen so viel zu tun, dass mir für die BIRNE-Comics keine Zeit mehr blieb. Inzwischen konzentriere ich mich fast ausschließlich auf die Presse-Comics von MECKI, Blaubär und BUBI, von denen ich wöchentlich je eine Seite bzw. einen Strip zu liefern habe.

SO: Liest man im Internet Berichte über Dein Schaffen, fehlt häufig Deine Beitrag für MIKE. Welchen Stellenwert hat die Mitarbeit an MIKE für Dich persönlich in Deiner Vita?

HK: Einen beachtlichen. BIRNE trug in meinen Anfangsjahren nicht nur regelmäßig zu meinem Einkommen bei; hier musste ich das erste Mal einen professionellen Standard einhalten und konnte mich gleichzeitig über einen längeren Zeitraum mit einem gleichbleibenden Figurenensemble beschäftigen, eine prima Schule!